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Alles begann mit dem Abschlusswochenende meiner 3-jährigen Bibelschulzeit. Georg machte uns auf verschiedene Möglichkeiten und Dienste aufmerksam. In einem Satz erwähnte er auch, dass in Russland Praktikanten gesucht werden.
Meine einzige Verbindung zu diesem Land war bis zu diesem Zeitpunkt lediglich mein Nachname. Ich beherrsche nicht mal die Sprache.
Und doch ließ mich dieser eine Satz auch Wochen danach nicht in Ruhe. Ich stellte bei Georg eine Interessenanfrage… und ehe ich mich versah, war ich dabei!
Ich wusste absolut nicht, was mich erwartete. Teilweise bekam ich richtig Panik. War ich überhaupt die Richtige dafür? Ich bin eine Frau, habe schwache Muskeln, habe keine starke Singstimme und beherrsche auch kein Instrument. Nicht mal aufbauende Gespräche würde ich mit den Leuten führen können. Ich habe keine bestimmte Begabung.Was könnte ich schon verrichten?! Ich hatte absolut nichts zu bieten.
Fakt war aber auch, dass Gott wirklich alles reibungslos hat verlaufen lassen, so dass meiner Reise nach Russland einfach nichts im Wege stand. Dabei wartete ich insgeheim schon auf ein ‚Stopp‘-Zeichen von Gott… aber vergeblich.
Und so blieb mir nichts anderes übrig (Gott sei Dank!), als all diese Sorgen und mein Unvermögen in Gottes Hände zu legen.
Hier begann schon Seine erste Lektion für mich: Es ist nicht wichtig, wer ich bin und was ich kann. Es ist wichtig, was mein Gott kann! Ich war der unbrauchbarste Mensch für diesen Einsatz… und vielleicht war ich genau deswegen die Richtige.
Und so betete ich ab diesem Zeitpunkt, dass Gott mich doch irgendwie gebrauchen und zum Segen für diese Menschen in Russland sein lassen würde (auch wenn ich mir überhaupt nicht vorstellen konnte wie).
Am 10.07.2018 kam ich um 5 Uhr morgens in einem kleinen Flughafen in Omsk an. Dort warteten schon Eugen Maul und seine Frau Nina auf mich. Sie brachten mich erst mal nach Asowo, einem Dorf knapp 40 km von Omsk entfernt. Eugen ist der Gemeindeälteste dort. Unterwegs versuchten wir ein Gespräch aufzubauen, doch leider konnte ich vieles nicht verstehen und reden erst recht nicht. Trotzdem fühlte ich mich sehr wohl bei den beiden. Ich bekam im oberen Stockwerk des Gemeindehauses ein kleines Zimmer. Nachdem Sie sich mehrmals vergewissert hatten, dass es mir gut geht und ich alles habe, was ich brauche, ließen sie mich zum Ausruhen erst mal allein. Aber dank der vielen Tauben auf meiner Fensterbank und der Maus in der Küche, musste ich mich dort nie alleine fühlen.
Mittags fuhr ich dann mit Eugen nach Omsk. Das große und wunderschöne Kirchengebäude stand auf einer schönen und gepflegten Anlage wenige Meter neben dem Fluss Irtysch. Ich wurde durch das Gebäude geführt und lernte dabei die ganzen Mitarbeiter kennen: das Küchenpersonal, Putzfrauen, den Hausmeister, die Wächter, die Buchhalterinnen, die Medienbeauftragte, den Übersetzer und einige Brüder. Es herrschte im gesamten Haus ein fröhliches Treiben und ich wurde von allen herzlich begrüßt. Ich war so erleichtert, als mich zwei von Ihnen auf deutsch ansprachen. So hatte ich endlich die Möglichkeit alles zu fragen und zu erzählen, was sich seit meiner Ankunft angesammelt hatte.
Nach dem Mittagessen haben Wowa (Wladimir Winogradow, stellvertretender Bischof der Evangelisch-lutherischen Kirche Ural, Sibirien und Ferner Osten) und Eugen den weiteren Ablauf mit mir besprochen. Dank Internet und Google-Übersetzer hatte das dann auch einigermaßen gut geklappt. Bis Donnerstag sollte ich noch in Asowo bleiben und ab da dann in Omsk in der Kirche wohnen.
Am nächsten Tag besuchte ich mit Eugen und seiner Frau einen kleinen Hauskreis in einem Nachbardorf. Es waren nur 4 ältere Damen anwesend. Sie waren so froh, über den Besuch, was sie auch deutlich auf ‚deitsch‘ zu verstehen gaben. Wir sangen viele russische und deutsche Lieder zusammen. Anschließend baten Sie mich noch paar Verse vorzulesen. Wir waren nicht viel, aber es war eine schöne Gemeinschaft.
Am Donnerstag kam ich nach Omsk. Jeden Morgen um 9 Uhr fand eine Andacht gemeinsam mit allen Mitarbeitern statt. Danach lief ich von Zimmer zu Zimmer und fragte, ob ich bei irgendetwas helfen könne. Oftmals war das nicht der Fall und hatte dadurch viel freie Zeit. Um 13 Uhr gab es dann ein gemeinsames Mittagessen.
Am meisten mochte ich die Tage, an denen Olga (Wowas Frau) da war. Da in 2 Wochen die Mutter-und Kindfreizeit statt finden sollte, hatte sie als Hauptorganisatorin einiges zu tun. Hierbei konnte ich ihr viele kleine Arbeiten abnehmen und bei den Vorbereitungen helfen.
So vergingen die ersten 2 Wochen.
Eine Freizeit wie diese hatte ich in der Art noch nie erlebt, geschweige denn gekannt. Als Teilnehmer hatten wir 13 Mütter mit jeweils 1-2 Kindern. Die meisten von Ihnen waren im Kindergartenalter. Unter den Kindern waren auch zwei schwer erziehbare, vier geistig-behinderte und ein autistisches Kind dabei.
Während sich Olga, Wowa und eine weitere Mitarbeiterin namens Nina um die Mütter gekümmert haben, hatten ich und 2 andere Mädchen in meinem Alter die Aufgabe, uns um die Kinder zu kümmern.
Da die Kinder alle so unterschiedlich waren, hatten wir alle Hände voll zu tun. Manches Kind ließ sich auch nicht von seiner Mutter trennen, wodurch die Mütter nie ganz unter sich sein und zur Ruhe kommen konnten.
So erklärten ein Mädchen und ich uns bereit, spät abends im Flur die schlafenden Kindern zu bewachen, damit die Mütter Zeit für sich hatten.
Obwohl diese 4 Tage für uns Mitarbeiter wirklich anstrengend waren, hatten wir eine sehr schöne und gesegnete Zeit. Das Schönste war für mich das gemeinsame Abschlussgebet am letzten Tag. Wowa bat alle Teilnehmer sich im Raum zu verteilen. Die Kinder sollten ihre Mama umarmen, an die Hand nehmen und dann für sie beten. Wowa betete vor und die Kinder sprachen ihm nach. Und so hörte man aus diesen Kindermündern, wie sie um Weisheit, Kraft, Geduld und Liebe für ihre Mütter baten und sich bedankten. Ich stand mitten unter diesen kleinen Familiengruppen und war einfach nur überwältigt von all der Liebe. Gerade den Müttern, deren Kind niemals in der Lage sein wird, jemals so für sie zu beten, hatte man angesehen, wie sie jedes einzelne dieser seltenen Worte förmlich aufsaugten und in ihre Herzen schlossen. Danach legten die Mütter ihre Hände auf die Köpfe der Kinder und Wowa sprach für alle ein Segensgebet. Mir kommen heute noch die Tränen, wenn ich an diesen Moment zurück denke.
Als es an der Zeit war aufzubrechen, fanden wir Mitarbeiter noch einen ruhigen Moment zusammen. Nina bedankte sich von Herzen bei alle Helfern. Sie erzählte mir, dass sie sich anfangs Sorgen gemacht habe, weil ich kaum russisch könne. Und dass sie jetzt so froh sei, dass ich dabei gewesen bin und ich eine große Hilfe gewesen sei. Olga stimmte ihr direkt zu. Ich hatte mit dieser Rückmeldung gar nicht gerechnet und hatte Mühe nicht auf der Stelle anzufangen zu weinen. Ich war Gott einfach nur dankbar, dass ich brauchbar gewesen bin.
Die Tage danach verbrachte ich wieder in der Kirche in Omsk teils mit Ausruhen und teils mit Aufräumarbeiten.
Am Freitag, den 3. August machten wir uns dann mit einer kleinen Gruppe auf nach Litkowka. Hierbei handelt es sich um ein ganz kleines abgeschiedenes Dorf (über 300 km vom Omsk entfernt), dass in einem Sumpfgebiet liegt. Die Gemeinde im Dorf veranstaltete ebenfalls eine Kinderfreizeit und ich sollte bleiben und bei der Durchführung helfen. Während dieser Zeit wurde ich bei einer Gastfamilie untergebracht (die einzige Familie, die ein Klo IM Haus haben)
Am Samstag hielt Nina eine Kinderstunde ab und ich war erstaunt, wie viele Kinder in dem Dorf lebten.
Die Freizeit hier verlief ganz anders. Sie ging eine ganze Woche lang von 10 bis 16 Uhr. Durchgeführt wurde sie von einer Mutter und paar Jugendliche (nur Mädels) aus der Gemeinde.
Das Wetter war in dieser Woche sehr wechselhaft und das uns zur Verfügung stehende Haus hatte keine Heizung. Es war teilweise sehr kalt und als es regnete tropfte es von der Decke. Das Klo stand natürlich draußen. Zum Mittagessen gab es fast jedes Mal nur Kartoffelpüree und etwas Salat dazu. Und keiner beschwerte sich, denn es war alles normal. Ich musste dann oft an den Komfort und das Essen von unseren Freizeiten denken… und musste mich einfach nur dafür schämen, dass ich so undankbar bin.
Am Nachmittag und Abend half ich meiner Gastmutter dann bei allen möglichen Arbeiten. Ich führte ein richtiges Bauernleben und genoss jede Minute. Ich arbeitete im Stall und auf dem Feld. Jeden Abend fiel ich erschöpft, aber glücklich ins Bett und bewunderte die Menschen, die das jahrelang Tag für Tag bewältigen.
Am Sonntag nach dem Gottesdienst trafen wir uns mit allen Kindern nochmal in dem Raum zu einem Abschlussessen. Danach blieb ich mit den Mädels aus der Jugend dort und warteten bis die geplante Jugendstunde um 4 Uhr begann.
Ich hatte mich richtig darauf gefreut, weil ich während meiner ganzen Zeit relativ wenig mit Jugendlichen zu tun hatte. Allerdings kamen da nur noch 3 Mädels und 2 Jungs dazu. Die Jugendstunde selbst wurde von einer Frau durchgeführt. Und während dieser Jugendstunde erkannte ich die wirkliche Armut. Die Frau hatte sich wirklich Mühe gegeben, aber die Jugendliche waren sehr unruhig und unaufmerksam. Es fehlte einfach an Ernsthaftigkeit und Interesse. Außerdem hatte sie für das Thema so einfache Worte benutzt, dass sogar ich mit meinem schlechten Russisch ,verstand, worum es ging. Sie gab diesen Jugendlichen noch Brei zu essen. Was festes hätten Sie aber auch nicht vertragen können. Ich hatte über die Woche diese Mädchen wirklich lieb gewonnen. Umso mehr tat mir dieser Anblick weh. Mein Herz war so voll. Wie gerne wollte ich Ihnen etwas sagen, sie aufbauen, sie wachrütteln. Aber ich konnte nicht. Mein Mund war durch die Sprachbarriere wie zugebunden. Und das war gut so. Denn es war eine weitere Lektion von Gott. In dieser Not wendete ich mich dann an den einzigen, der in diesem Moment meine Sprache verstand. Und das war Gott.
Wäre ich in Deutschland gewesen, hätte ich alles Mögliche gesagt, aber wahrscheinlich nicht gebetet. Ich handle viel lieber direkt, als mich in der Stille zurück ziehen und Gott machen zu lassen. Wir sollten mehr mit Gott über Menschen, als mit Menschen über Gott reden.
Nach eineinhalb Wochen musste ich Litkowka und all die liebgewonnenen Menschen wieder verlassen.
2 Tage später musste ich mich dann auch von allen in Omsk verabschieden und mir wurde bewusst, wie viele Freunde ich in dieser Zeit doch gewonnen habe. Sie haben mich alle so herzlich aufgenommen und rundum versorgt.
Ich weiß nicht inwieweit ich ein Segen während dieses Einsatzes sein konnte, aber ich weiß, dass dieser Einsatz auf jeden Fall ein Segen für mich war.
Ich bedanke mich bei allen Betern und will alle ‚unbrauchbaren‘ da draußen zurufen nicht zu vergessen:
Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus! (Phi 4,13)
Jessica Iwanow
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